Auf der Suche nach der lebenswerten Zukunft

Kategorie: Reiseleben

Lebendium – Utopia: Der Singler Hof im Südschwarzwald

Wo ich lernen durfte, dass Gemeinschaft doch gelebt werden kann

Es ist bereits dunkel, als wir uns am 28. Oktober 2023 dem Hof von Micha und seiner Familie im mittleren Schwarzwald nähern. Nach einer Autofahrt durch die verschiedenen Regionen des Schwarzwaldes sind wir die letzten Kilometer eine Serpentinenstraße hinaufgefahren, die uns sehr an unsere Urlaube in Bayern und an unsere Zeit in den Karpaten in Rumänien erinnert. Natürlich fahren wir erstmal an der unscheinbaren Einfahrt zum Hof vorbei, nicht zuletzt auf Grund meiner Nervosität, die ich bei Fahren mit dem Gespann jedes Mal entwickle.

Wir müssen also circa einen Kilometer von der Einfahrt entfernt im Wald auf einem gottseidank breiten Feldweg drehen und noch einmal zurückfahren. Diesmal kommt genau aus der Einfahrt, in die wir hineinwollen und müssen, ein anderes Auto heraus. Ein großer SUV mit Anhänger. Mit den beiden großen Gespannen ist es etwas eng auf der Straße und in der Einmündung. Der Fahrer wirft uns einen nicht gerade freundlichen Blick zu, der sehr deutlich macht, dass er nicht gut findet, dass wir nun mit dem Wohnwagen in die enge Straße rein wollen, die uns zum Hof bringen soll. 

Mit viel Liebe zum Detail

Beim Abbiegen taucht vor uns ein kunterbunter, fantasievoll-gestalteter Wegweiser auf, der einen Ort ganz nach unserem Geschmack verheißt. Micha hatte uns währen unserer Zeit bei Jonathan und Sophie auf dem Unteren Berghof via Instagram angeschrieben: „Hallo Lukas, hier ist Michael. Also wenn ihr zufällig mal durch den mittleren Schwarzwald fahrt, wäre es mega genial, wenn ihr hier ein wenig Camping macht und wir uns dabei kennen lernen würden…;) Ich glaub, da gibt es die ein oder andere Synergie. Ansonsten wünsche ich euch eine gute Reise. Micha“

Wir hatten uns sehr über diese Nachricht gefreut und da wir sowieso im Schwarzwald unterwegs waren, beschlossen wir bei Lebendium unser nächstes Etappenziel einzuplanen.

Micha holt uns bei der nächsten Kreuzung ab und leitet uns den Weg zu dem Platz, an dem wir unseren Wohnwagen abstellen sollen. Auf dem kurzen Weg von der Abbiegung zum Parkplatz, fühlen wir uns, als wären wir an genau dem richtigen Ort gelandet. Wir werden von blökenden Schafen begrüßt. Im Licht unserer Scheinwerfer erblicken wir zunächst zwei kleine liebevoll gestaltete Klohäuschen, die Komposttoiletten vermuten lassen (bei einem handelte es sich um eine Außendusche) und eine Jurte (die keine ist, sondern ein Geodom mit Jurtenhaut) und zu Lukas Freude einige Mulch-Gemüsebeete. Beim Rangieren mit dem Wohnwagen, um diesen in die richtige Parkposition zu bringen, fällt der Scheinwerfer auf einen weiteren kunterbunten Wegweiser, dessen Schilder nach Hogwarts, Phantasien und (in Richtung des Hofes) nach Utopia verweisen. Diese kleinen Details gemeinsam mit der super sympathischen Art und Weise von Micha lassen uns hier direkt ankommen.

Ankommen in einer Märchenwelt

Dabei wird uns der wirkliche Zauber dieses Ortes erst am nächsten Tag bewusst. Wir erwachen an einem Ort, der an eine Zauberwelt erinnert. Der Hof liegt in einem kleinen Dorf, in dem noch mehrere andere Bauerhöfe liegen. Das gesamte Dorf ist in den Hang eines Berges gebaut und öffnet sich in ein Tal aus Wiesen und Weiden, dass auf der anderen Seite an einen Berg voller dichter Wälder grenzt. Diese Wälder sind jetzt im Oktober wunderschön bunt und farbenprächtig und erstrecken sich über verschiedene Hügel und Berge bis zum Horizont. Die Höfe bestehen aus typischen traditionellen Gebäuden, wie man sie sich im Schwarzwald vorstellt und haben alle eins gemeinsam: sie stehen schon sehr lange und sind meistens fast genauso lange schon im Besitz der Familien, die sie heutzutage bewohnen und bewirtschaften. Wenn man sich hier umsieht, versteht man, wie und warum die Märchen und Sagen unserer Vorväter entstanden sind.

Was uns im Laufe der Zeit hier stark beeindruckt hat? Der Gemeinschaftssinn und der Zusammenhalt, in den Dörfern und Gemeinden. Im Nachbarort hat diese Gemeinschaft sogar einen genossenschaftlichen Dorfladen eröffnet und führt diesen seit 5 Jahren erfolgreich. Und auch bei Lebendium wirkt die Gemeinschaft. Das Gewächshaus wurde gemeinsam mit den Nachbarn erbaut und finanziert und durch die Abgeschiedenheit vom „Rest der Zivilisation“ (und das ist keinesfalls abwertend gemeint) musste man eine kreative Lösung finden, um gemeinsam für Internetempfang zu sorgen. Hier sind die Ellenbogenmentalität und der Egoismus dieser Gesellschaft scheinbar noch nicht angekommen. 

Lukas´ Video mit Micha

Wenn Ihr mehr über Michael und Lebendium – Utopia erfahren wollt, hier kommt ihr zu dem YouTube-Video, das Lukas mit ihm gemacht hat:

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Mulchbeete, die Entstehung der Projekts, besondere Pflanzen und Sortenbank

Brixen: Wo der Nikolaus mich fand:

Ich gehe entlang einer viel befahrenen Straße Richtung Innenstadt. „Was für eine hässliche Stadt“ denke ich so bei mir. Ich bin genervt von den Autos, die an mir vorbeirauschen und auf die ich gezwungenermaßen achtgeben muss; Ich bin genervt von dem asphaltierten Untergrund, auf dem sich in der Feuchte des letzten Regenschauers das Licht der Straßenlaternen spiegelt; Ich bin hauptsächlich genervt von mir selbst und meinem Leben. Seit fünf Monaten befinden wir uns auf dieser Reise quer durch Europa. Mit vier kleinen Kindern und meinem Mann bin ich seit fünf Monaten unterwegs und wir leben in einem Wohnwagen, um die Welt bzw. Europa zu erkunden und uns von den Strapazen der letzten Jahre zu erholen. Wir sind dem Bauernhof, den wir bis zum Sommer in Deutschland bewirtschaftet haben, entflohen. Wir sind frei und ungebunden. Wir haben alles hinter und gelassen, unser Haus ausgeräumt, den größten Teil unserer Sachen verschenkt, verkauft und weggeschmissen und sind in ein 12 Quadratmeter großes Zuhause auf Rädern gezogen, in der Hoffnung das Glück und die Leichtigkeit zu finden…

Wenn Träume wahr werden, oder auch nicht

… Leider haben wir zwar den Ort gewechselt und es hat sich auch einiges gebessert, aber nicht alles. Wir sind auch unterwegs immer noch wir und wir haben immer noch diese vier Kinder, die wir von Herzen lieben und zu gleich regelmäßig zum Mars wünschen. Wir sind immer noch wir und diese Reise war nicht im Ansatz das, wofür wir sie gehalten haben. In unserer Vorstellung dachten wir immer, sobald wir unterwegs wären, wäre alles großartig; sobald wir unterwegs wären, würden wir uns viel besser verstehen; wir würden so viel Zeit für die Kinder und uns gegenseitig haben und jeder von uns würde natürlich nebenbei noch seinen Hobbys und Interessen frönen können. Und die Leichtigkeit, die wir in unserer Kindheit und Jugend gefühlt haben, wiederfinden. Nichts von alledem ist eingetroffen. Ich habe die letzten drei Wochen 24 Stunden am Tag mit den Kindern verbracht. Ich werde morgens davon geweckt, dass der Vierjährige auf mich springt, um mich zu wecken und schlafe abends ein, während ich den Jüngsten ins Bett bringe. Dazwischen habe ich gekocht und gefüttert, Streit geschlichtet, aufgeräumt, mich um die Wäsche gekümmert, mit der Ältesten ihre Schulaufgaben erledigt, war spazieren oder im Schwimmbad, damit wieder ein paar von uns sauber und geduscht sind, war einkaufen und habe Lukas den Rücken fei gehalten, damit er zumindest ein paar Stunden für seine Projekte und seine zukünftige Karriere hat.

Die erste Me-Time seit drei Wochen

Über all diese Dinge denke ich nach, während ich diese furchtbare Straße in dieser fremden Stadt entlang gehe und dank Lukas das erste Mal seit drei Wochen ein paar Minuten ohne Kinder verbringe. Dort drüben geht endlich eine kleine Brücke über den kleinen Fluss. Als ich mich ihr nähere sehe ich, dass es eine reine Fußgängerbrücke ist. Ich werde also endlich die blöden Autos los. Unter der Brücke tost der vom geschmolzenen Schnee gefüllte Bach und beim Blick von der Brücke auf die beleuchteten Häuser am anderen Ufer schießen mir die Tränen in die Augen ob der Schönheit dieses Anblicks. Ich bleibe einen kleinen Moment lang stehen, bevor ich weiter gehe und auf der anderen Seite von einem völlig anderen Blick in derselben Stadt empfangen werde. Auf der anderen Seite weicht der hässliche Asphalt einem rot-grauen, einladenden Kopfsteinpflaster und die dunklen Häuser weichen barocken Stadthäusern mit gelbem und weißem Anstrich. Zwischen den Häusern sind über die Gassen Lichterketten mit großen Sternen in der Mitte gespannt. Die gesamte Innenstadt ist beleuchtet und voller Leben. Mir kommen lachende Menschengruppen entgegen und an den Tischen der Restaurants und Bars sitzen Pärchen und Familien. 

Ich ziehe weiter meine Runden durch die Stadt ohne Ziel oder Anliegen. Aber meine Stimmung ist anders als zuvor an der großen Straße. Ich sehe in die Geschäfte und sehne mich danach dort hineinzugehen und mir das einladende Sortiment anzusehen und für mich oder die Kinder etwas Schönes auszusuchen. Aber neben der Tatsache, dass wir im Wohnwagen keinen Platz für Konsumgüter haben, haben wir jetzt gerade vor Weihnachten auch nicht mehr viel Geld übrig. Deshalb kann ich mir auch keine Pizza oder keinen Salat in einem der netten Restaurants leisten. Allein spazieren zu gehen und mir etwas mehr Zeit zu nehmen, bevor ich in den Supermarkt gehe und für uns die notwendigen Lebensmittel für die nächsten Tage besorge, sind der größte Luxus, der gerade im Budget liegt. 

Unerwartete bekannte Klänge

Die lange Gasse, die ich entlang gehe, öffnet sich zu einem kleinen Platz auf einer Kreuzung, als mir aus der Richtung, in die ich gehe, die Carmina Burana von Carl Orff entgegenschallt. Als ich nach rechts in die Gasse blicke, sehe ich einen großen Palast, der von lila Licht beleuchtet wird. Ich wende mich kurz nach links und denke, dass mir meine Augen einen Streich spielen. Da läuft der Nikolaus in voller Montur die Straße hinunter. Begleitet von zwei kleinen Engeln. Wegen dieses Anblicks entscheide ich mich doch weiter geradeaus zu laufen. Auf die laute Musik zu, die inzwischen von Carl Orff zu Rammstein „Mein Herz brennt“ gewechselt ist. Die Musik wird regelmäßig von dem Aufheulen eines Motors unterbrochen und undefinierbarem Knallen, dass von den Häuserreihen links und rechts der Gassen hin und hergeworfen wird. Am Ende der Gasse, die ich nun entlang gehe, bildet sich eine große Menschentraube. Eine Gruppe junger Menschen kommt mir lachend entgegen. Zwei von ihnen sind im Gesicht schwarz angemalt. Ich betrete einen Buchladen auf der Suche nach einem Buch von Helene Flöss, die hier in dieser Stadt gelebt hat. Ich hoffe in ihrem Buch das Gefühl des Lebens in dieser Stadt zu finden. Wie fühlt sich jemand, der hier gelebt hat; hier am besten noch groß geworden ist. Noch mehr habe ich die leise Hoffnung zu erfahren, wie das Leben sich hier angefühlt hat vor der Zeit, derer ich so müde geworden bin. Als diese wunderschöne Innenstadt noch nicht umschlossen war von den Flüssen von Autos auf Asphalt, die nun an beiden Seiten an ihr vorbeiströmen.

Ein Gefühl von Ausgeschlossensein

Ich werde nicht fündig, fühle mich allerdings auch nicht in der Lage und Stimmung nachzufragen und kaufe aus einem Pflichtbewusstsein heraus zwei andere Bücher aus dem Belestrik Regal. Die Verkäuferin kassiert mich ab und da hinter mir kein anderer Kunde wartet frage ich sie, ob sie mir sagen kann, was da draußen los ist. „Krampuslauf“. Ist die knappe und nicht zu weiteren Nachfragen einladende Antwort. Ich nehme meinen Einkauf und verlasse das Geschäft. Die Menschenmenge hat sich in der kurzen Zeit verdoppelt. Die Menschen scheinen ausgelassen und fröhlich und stehen in Gruppen vor einer Absperrung, die verhindert, dass jemand auf die Straße tritt. Kurz überlege ich, ob ich mich dazu stellen soll und mir das Spektakel ansehen sollte. Ich entscheide mich dagegen. Ich habe das Gefühl hier nicht dazu zu gehören. Sowohl weil ich nicht hierher in diese Stadt gehöre und niemanden kenne und allein als Einzelgänger neben Menschen stehen würde, die sich hier mit ihren Freunden und der Familie getroffen haben, aber auch weil meine Stimmung immer noch nicht gut ist. Ich würde mich lieber in eine dunkle Höhle im Wald verkriechen und einfach keiner Menschenseele begegnen, als mich in eine Ansammlung feiernder Menschen zu stellen. Außerdem würde ich mich beim Bleiben in die Gefahr begeben, dass irgendeiner der Krampusse auf die Idee kommt mein Gesicht schwarz anzumalen. Das könnte ich jetzt nicht gebrauchen, dass mir ein fremder Mensch ins Gesicht fast.

Begegnung am Wegesrand

Ich gehe also mit schnellen Schritten den Weg, den ich gekommen bin, zurück, bin aber noch nicht bereit wieder nach Hause in den Wohnwagen zu gehen. Ich wende mich an der Kreuzung nun nach rechts. Der Nikolaus und seine beiden Engel sind zu meiner Erleichterung nirgendwo zu sehen. Ich hoffe diesen Weg ein Stück weit gehen zu können und dann von dort aus wieder auf die Straße zu kommen, die mich zurück zum Supermarkt und dann nach Hause bringt. Die Straße geht zweihundert Meter in die von mir gewünschte Richtung, bevor sie vor einem riesengroßen Palais mit Parkanlage davor eine Kurve nach rechts beschreibt und damit direkt auf die Straße des Krampuslaufs zu geht. Ich drehe also wieder um und entkomme den Krampussen und laufe genau auf den Nikolaus und die Engel zu, die ein Haus auf der linken Straßenseite verlassen und mir zunicken, bevor sie sich den Kindern widmen, die dort schon stehen und warten. Auf den Gesichtern, dieser Kinder breitet sich sofort ein breites Lächeln aus und ich bekomme noch mit, wie der Nikolaus die Kinder begrüßt und ihnen sagt, sie sollen sich vor den Krampussen in Acht nehmen. Ich hatte es fast vergessen, aber morgen ist Nikolaustag. Der 6. Dezember 2023. 

Gefangen im Reisealltag

Kurz habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich meine Kinder nicht mit in die Stadt genommen habe. Wir sind so in unserem neuen Familienalltag gefangen, dass ich (und ich glaube Lukas geht es genauso) ganz vergessen habe, warum ich diese Reise hier unbedingt machen wollte. Um mehr von der Welt und fremden Orten und Leben mitzubekommen und um den Kindern die Welt zu zeigen und ihre Kindheit nicht zu verpassen. Und trotzdem ist meine schönste Zeit unterwegs die, die ich ohne die Kinder und Lukas verbringen kann. Und wenn ich einem fremden Brauch begegne, laufe ich vor diesem weg, mit dem Gefühl ein Fremdkörper und Außenseiter zu sein. 

Aber der Nikolaus und seine Engel haben mir zu gelächelt und kurzfristig habe ich mich gefühlt, wie als Kind, wenn man dem Nikolaus begegnet ist. Ich habe automatisch zurück gelächelt und in meinem Bauch war da dieses warme, wohlige Gefühl gesehen und wahrgenommen zu werden. Ich bin erwachsen, ich weiß, dass der Nikolaus ein Mensch im Kostüm ist (der dazu noch italienisch spricht). Und dennoch hat mich der Mythos des heiligen Nikolaus in Form dieses Mannes in seinem Kostüm in seinen Bann gezogen. Er hat mich kurzfristig meine Sorgen vergessen lassen und mich in dieser fremden Stadt willkommen geheißen. 

Konstanz – ein Hauch von uns bekannter Weihnacht

30. November 2023: Nachdem wir es die letzten Wochen nicht geschafft haben, aus Deutschland wieder los zu kommen, fahren wir am Wochenende endlich weiter in den Süden. Es ist auch inzwischen viel zu kalt geworden, um es mit 6 Personen noch lange im Wohnwagen lebend, hier auszuhalten. Plötzlich ist der große Wohnwagen nämlich sehr eng für die Bedürfnisse von 6 Individuen.

Entscheidungen zwischen Herz und Hirn

Nach langen Überlegungen und vielen langen Diskussionen ist bei uns eine Entscheidung gefallen. Wir werden Weihnachten nicht nach Hause kommen und ich werde das erste Mal in meinem Leben Weihnachten nicht mit meinen Eltern in meinem Elternhaus feiern. Genau deswegen habe ich sehr heftig und sehr intensiv mit meinem Mann (der grundsätzlich nicht so emotional im Thema Weihnachten ist wie ich) diskutiert.

Es war immer der Plan an Weihnachten nach Hause zu kommen und das Fest der Liebe mit den Liebsten zu feiern. Mit den geliebten und gewohnten Traditionen. Mit Entenbrustfilet in Honig-Orangen-Soße und Kroketten und dem leckeren grünen Salat meiner Mama (ich esse gar keine Entenbrust mehr, aber die Soße ist so lecker). Mit dem geschmückten Weihnachtsbaum und der großen Krippe mit Landschaft, die mein Vater jedes Jahr aufbaut und dekoriert und die er schon seit meiner Kindheit versucht vor den spielenden Kindern zu schützen.

Nachdem wir aber nun fast 3 Monate aus verschiedensten Gründen (die meisten haben mit Bürokratie zu tun) in Deutschland geblieben sind, hat es allerdings keinen Sinn schon in der Mitte des Dezembers wieder nach Deutschland zu kommen. Zumindest nicht wenn wir noch einige der Länder auf unserer Wunschliste für dieses eine Jahr Europareise sehen und erkunden wollen. Das muss sogar ich ,bei aller Emotionalität in der Sache, einsehen. Kurzfristig hatte ich den Plan gefasst, ob wir dann nicht einfach den Wohnwagen in Italien stehen lassen und uns Zugtickets holen und mit einem Kurzaufenthalt in der Schweiz doch noch irgendwie über die Feiertage nach Hause fahren sollten.

Das können wir uns bei vernünftiger Betrachtung allerdings genauso wenig leisten, wie die Strecke mit dem Auto zu überwinden. Beide Varianten hätten im Nachhinein unwiderruflich Konsequenzen für unsere weitere Reise.

Ein Traum gegen einen Traum

Der Traum Weihnachten nach Hause zu kommen und den Kindern und mir selbst zu zeigen, dass wir immer noch dorthin gehören, weil wir doch die wichtigste Zeit im Jahr für die Familie dort verbringen, steht also im direkten Konflikt zu dem Traum der Reise durch Europa und der Möglichkeit möglichst viele Länder auf dieser Reise zu besuchen. Und noch konkreter können wir nicht die Reise zu Weihnachten nach Hause und eventuell eine Fahrt mit der Autofähre von Italien nach Griechenland beide im Dezember und oder Januar bezahlen.

Also kommen wir nicht nach Hause. Wir bleiben in Italien, nutzen die Chance uns italienische Weihnachtstraditionen anzusehen und freuen uns umso mehr im nächsten Jahr wieder mit den Liebsten in der Heimat zu feiern. (Wobei Lukas hofft, dass wir Weihnachten zum mindest zu Teil ab jetzt immer in einem anderen Land feiern wollen und werden).

Ein Hauch von heimatlicher Weihnacht

Zumindest haben wir den 30. November genutzt, um ein bisschen in die deutsche Weihnachtskultur einzutauchen und waren in Konstanz auf dem Weihnachtsmarkt am See. Und ich habe noch nie einen so schönen und romantischen Weihnachtsmarkt besucht. Wobei das eventuell auch an der Situation und der ihr innewohnenden Melancholie liegen könnte. Und daran, dass wir schon mit der Fähre über den Bodensee nach Konstanz und zum Weihnachtsmarkt hin gefahren sind. Fast noch schöner war die Rückfahrt über den See in der Dunkelheit. Wir haben uns von dem einen Lichtermeer am Horizont weg zum anderen Lichtermeer am Horizont hinbewegt. Dazwischen tiefste Dunkelheit, unterbrochen nur durch die Beleuchtung unserer Fähre und der Fähren, die uns entgegen kamen.

Wir haben auf dem Weihnachtsmarkt Pommes und Käsespätzle gegessen gebrannte Mandeln gekauft und sogar einen Adventskranz für den Wohnwagen besorgt. Vielleicht feiern wir Weihnachten dieses Jahr anders. Aber wir werden es feiern. Vermutlich mit noch weniger Chancen auf weiße Weihnacht und ohne Weihnachtsbaum und Krippe und Kinderchristmette. Aber mit uns als Kernfamilie und gutem Essen. Und wer weiß vielleicht finden wir tatsächlich ja auch neue Traditionen, die wir danach in unser Weihnachtsfest Zuhause integrieren wollen.

Wie sich unterwegs mein Gefühl von zuHause und Sicherheit angepasst hat

Heute Abend ist mir etwas aufgefallen. Ich habe auf unserem Bett im Wohnwagen gesessen und habe ein wenig gearbeitet. Als ich dann noch einmal kurz auf meinem Instagram Account etwas nachgesehen, wurde mir mein eigenes Reel angezeigt, dass ich heute Nachmittag von der Ankunft hier vor Ort gemacht habe. Und ich hatte völlig vergessen, dass wir wieder an einem neuen Ort stehen. 

Jeden Anfang von ein Zauber inne…

Hermann Hesse

Zu Beginn unserer Reise war jeder neue Ort spannend und aufregend und es fühlte sich jedes Mal so an, als wären wir wieder umgezogen. Inklusive der ersten Nächte, in denen man wegen der ungewohnten Umgebung schlechter schläft und häufiger wach wird (zumindest ging mir das schon immer bei meinen früheren Umzügen so, dass ich erst nach ein paar Tagen so richtig gut und fest durchgeschlafen habe). 

Lukas und die Zwillingen an und in einem Bergsee in Rumänien.

Inzwischen ist das anders. Inzwischen ist der Wohnwagen so sehr Zuhause und Gewohnheit geworden, dass es relativ egal ist, wo wir gerade stehen, ich fühle mich sicher und geborgen und zu hause. Diese wenigen Quadratmeter sind unser Reich und dabei ist es egal, wo wir diese gerade im Moment parken. 

Ich weiß nicht, wie das wäre, wenn wir wirklich mal an einem „unsicheren“ Ort stehen würden und nicht auf einem Campingplatz oder auf einem Bauernhof stehen sollten, aber jetzt gerade im Moment kann mein Zuhause fast überall in Europa stehen und ich fühle mich dort wohl.

Ängste und Unsicherheiten

Als wir im Juli nach Rumänien gefahren sind, gab es so viele erste Male, die mich unsicher gemacht haben. Eigentlich haben sie mir ehrlich gesagt sogar Angst gemacht. Ich bin leider sowieso eher ein ängstlicher Mensch, der sich gerne die Worstcaseszenarien dieser Welt ausmalt und sich selbst damit jede Menge Sorgen und Ängste beschert. Das ist so ein transgenerationales Ding. Meine Mama ist auch schon so und nur aus Erzählungen vermute ich, dass meine Oma auch schon so war. Meine Mutter musste sich als Kind bei Gewitter immer mit der ganzen Familie auf der Couch im Wohnzimmer versammeln und man wartete mit gepackten Dokumenten darauf, dass das Gewitter vorbei ist. Und auch auf dem Hof habe ich bei Unwetter nicht geschlafen, fühlte mich unwohl, wenn Lukas abends oder nachts oder frühmorgens nicht im Haus war. 

Die vielen ersten Male und das häufige Verlassen meiner Komfortzone in diesem Jahr haben mich allerdings absolut abgehärtet. Auf den ersten Kilometern in Ungarn auf der Autobahn habe ich mir noch unglaublich Sorgen darüber gemacht, dass wir auf Grund der fehlenden Sprachkenntnisse irgendetwas wichtiges verpassen würden, das auf den Verkehrsschildern steht. Nach mehreren Wochen Autofahren in Rumänien wurde das Fahren im Ausland mit Schildern in fremder Sprache so selbstverständlich, dass die Angst völlig verschwunden ist. 

Alles wird besser als man denkt

Nach den letzten Jahren auf dem Hof, in denen sich viele Befürchtungen und Ängste am Ende in Wahrheit und Realität verwandelt haben, habe ich aus dieser Hoferfahrung und den schönen aber eben auch manchmal unsicheren und abenteuerlichen Erfahrungen auf der Reise eins gelernt: Es ist bisher nie zum Worstcase Szenarium gekommen und deshalb macht es absolut keinen Sinn sich schon vorher von der Angst verrückt machen zu lassen. Und wenn es dann doch mal so weit sein sollte und schlimme Dinge passieren, dann hat es weder geholfen noch diese verhindert, dass man sich vorher schon so gefürchtet hat. 

Viel eher ist es doch so, dass man sich durch die Angst in einen Käfig sperren lässt und viele gute Dinge verpasst, weil man sich vor den schlechten fürchtet. Und im schlimmsten Fall verpasst man so ein ganzes schönes, spannendes Leben?!

Wie wir das „fast“ perfekte Zuhause auf Rädern für uns fanden

Als wir im September 2022 beschlossen haben, im nächsten Jahr als Familie mit 4 kleinen Kindern auf Europareise zu fahren, war der nächste Schritt nach einem geeigneten Gefährt für dieses Unterfangen zu suchen. Natürlich hatten wir sofort Bilder im Kopf von romantischen Sonnenuntergängen am Meer und einem Wohnmobil, das am Strand steht. Neben dem Wohnmobil stehen zwei Palmen, die den perfekten Abstand zueinander haben, damit meine blaue Hängematte dazwischen hängen kann. So viel zur romantischen Vorstellung. 

Wohnmobil oder -wagen?

Bei der Recherche im Internet wurde uns dann schnell deutlich, dass die Suche nach dem passenden Zuhause auf Rädern für uns, sich doch etwas schwierig gestalten würde. Zu Beginn suchten wir erstmal nach Wohnmobilen. Die Vorstellung, hinfahren zu können, wo man will und dort einfach jederzeit stehen bleiben zu können und zu übernachten, war einfach verlockend. Aber schon nach kurzer Zeit der Onlinerecherche wurde uns bewusst, dass es keine Wohnmobile gibt, die für unsere Personenanzahl konzipiert sind (insbesondere bei vier Kindern, die alle noch einen Kindersitz benötigen), über genügend Schlafmöglichkeiten verfügen, keines LKW-Führerschein bedürfen und auch noch in unser doch sehr knappes Budget passen.

Der Traum vom autarken Wohnmobil war also sehr schnell passe. Es hatte in unserem speziellen Fall einfach mehr Sinn nach einem geeigneten Wohnwagen zu suchen; noch dazu, weil wir den Großteil der Zeit auf Bauernhöfen stehen würden, über die Lukas auf seinem Youtube-kanal berichten wollte und es dort meistens kein Problem gibt an Strom und Wasser zu kommen. Außerdem sind die Kinder und ich mit einem Wohnwagen unabhängiger und können mit dem Auto den Hof verlassen, ohne dass wir gleich alles einpacken und mitnehmen müssen.  Für einen gebrauchten Wohnwagen muss man meist zusätzlich weniger Geld auf den Tisch legen als für ein Wohnmobil. Und auch das Kindersitzproblem ist gelöst, da wir einfach alle in unserem treuen Mercedes-Vito sitzen, in dem schon seit längerem alle vier Kindersitze fest installiert sind. Also gaben wir die Suche nach einem Wohnmobil auf und suchten gezielt nach einem Allrounder-Wohnwagen für uns als Großfamilie.  

Die Vorstellung vom Traumwohnwagen

Ein Etagenbett war von den beiden großen Kindern gewünscht und somit für uns Bedingung beim Wohnwagenkauf. Uns Erwachsenen war es wichtig, dass die Kinder in einem eigenen Bereich schlafen, damit wir nicht jeden Abend gezwungen sind, zeitgleich mit den Kindern ins Bett zu gehen und das Licht auszumachen. Natürlich brauchen wir eine funktionierende Küche und ein Bad, dass es Lukas ermöglichen sollte eine Trocken-Trenn-Toilette einzubauen. Außerdem wollte ich unbedingt die Möglichkeit haben im Wohnwagen zu duschen. Und ebenso war uns allen die Optik wichtig. Wenn wir ein Jahr in einem Wohnwagen auf wenigen Quadratmetern leben wollen, dann muss es schon schön und gemütlich sein.

Leider hatten wir das Pech genau zu einer Zeit nach Wohnwagen zu suchen, in der die Preise auf Grund der hohen Nachfrage durch Corona sehr hoch waren. Wir durchsuchten über Wochen und Monate das Internet ohne uns auch nur einen einzigen Wagen anzusehen. Lukas kaufte sich ein Feuchtigkeitsmessgerät, nachdem er mehrere Youtube-tutorials gesehen hatte, in denen mehrfach gemahnt wurde, dass das Schlimmste, was man beim Wohnwagenkauf übersehen könnte, eindringende Feuchtigkeit sei. 

Wir waren theoretisch die am besten vorbereiteten Wohnwagenkäufer, die man finden kann. Und trotzdem waren wir überhaupt nicht vorbereitet. 

Von der Theorie zur Praxis: Die Wohnwagenbesichtigungen

Wir haben uns im Februar 2023 den ersten Wohnwagen angesehen. Einen wunderschönen Dethleffs, nicht zu alt, sehr gut gepflegt. Mit einem Etagenbett, einer richtigen Duschkabine und einem extra großen Kühlschrank. Ein Traum von einem Wohnwagen. Allerding für mein Gefühl innen zu eng und außen zu breit. Der Wohnwagen war nämlich 2 Meter 50 breit und ich hatte von mehreren Leuten gehört, dass man in der Schweiz damit Schwierigkeiten bekommen würde. Außerdem lag er leider 2000€ über unserem Budget. Also entschieden wir uns gegen diesen Wagen, dem ich bis heute noch ein wenig hinterher trauere.

Als nächstes fuhren wir für einen Wohnwagen ganze 230 Kilometer weit. Ein Hobby, der alles hatte, was wir haben wollten. Etagenbett, festes Elternbett, Sitzgruppe in der Mitte gegenüber der Küche liegend. Neben dem Elternbett, dass man durch eine Schiebetür abtrennen konnte, das Badezimmer mit Toilette und Dusche. Allerdings roch der Wagen unangenehm nach Zigarettenqualm und an zwei Stellen meldete Lukas Feuchtigkeitsmesser Feuchtigkeit. Also nahmen wir auch von diesem Wohnwagen Abstand. 

Und dann fand ich einen weiteren Wohnwagen. Ganz bei uns in der Nähe. Dieser Wohnwagen hatte nichts von dem, was wir eigentlich unbedingt haben wollten. Kein Etagenbett, keine Dusche, kein abtrennbares Kinderzimmer. Wir sind trotzdem hingefahren, um uns diesen Wohnwagen einfach mal anzuschauen. Es handelte sich wieder um einen Dethleffs. 

Eigentlich sind wir uns diesen Wohnwagen nur anschauen gefahren, weil er so nah an unserem Heimatort stand. Und weil er auf den Bildern in der Anzeige supergemütlich aussah und vor allem geräumig. Und er passte einfach in unser Budget. 12 Stunden später waren wir stolze Besitzer eines Dethleffs Summer Edition 2003. 

Ergebniskontrolle: fließendes Wasser und Gasprobleme

Mit diesem Wohnwagen befinden wir uns also aktuell auf Europareise. Wir sind immer noch zufrieden. Meistens jedenfalls. Lukas hat das alte Badezimmer herausgerissen und eine Trockentrenntoilette und Holzregale eingebaut. Außerdem haben wir eine Van-Gogh-Tapete angebracht. Über dem hinteren Kingsize Bett ist jetzt ein Hochbett für unsere Große angebracht. Auf der großen Liegefläche darunter liegen die drei Jungs. Wir Erwachsenen bauen uns jeden Abend die Sitzecke um. Was uns von diesem Wagen am Ende überzeugt hat, war das Raumgefühl, dass er dadurch hat, dass die Küche anders als bei den meisten anderen Wohnwagen gegenüber der Eingangstür ist und direkt neben der Tür ein kleines abgerundetes Schränkchen. Dadurch haben wir einen großen Flur zwischen Sitzecke und „Kinderzimmer“. 

Nun aber zu den negativen Seiten, die sich alle erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert haben. Wir waren bei der Besichtigung so damit beschäftigt festzustellen, dass es keine feuchten Stellen gibt, dass wir auf andere Dinge wenig geachtet haben. Von den drei Herdplatten (und ich habe mich so gefreut, dass es drei sind), funktionierte nur genau die, die uns bei der Besichtigung gezeigt wurde. Bei beiden anderen Platten, saß die Gaszufuhr zu. Gleiches gilt für die Gasfunktion des Kühlschranks. (Ein Schelm ist, wer dabei Absicht wittert). Die Warmwassertherme war komplett gesprungen, allerdings so, dass man es von außen nicht sehen konnte. Man sagte uns beim Verkaufsgespräch, man wolle ehrlich sein: „Man könne uns leider nicht zeigen, ob das Wasser funktioniert, weil die Pumpe im Tank kaputt sei. Deshalb würde man die Kosten für eine neue Pumpe vom Kaufpreis abziehen.“

Als wir noch zu Hause eine neue Pumpe besorgt hatten und das Wasser angestellt haben, hatten wir natürlich fließend Wasser im Wohnwagen. Leider nicht aus dem Wasserhahn, sondern aus der Warmwassertherme unterm Bett. Die alte Pumpe funktionierte übrigens einwandfrei.

Und trotzdem fühlen wir uns mit unserem Wohnwagen wohl. Wir leben so nun schon ein halbes Jahr und fühlen uns zu Hause. Im Übrigen haben wir bis jetzt noch keine neue Wasserinstallation und keine Dusche, weil wir bisher auch wunderbar ohne ausgekommen sind. Zu 90% konnten wir auf den Höfen duschen und ansonsten gehen wir und vor allem die Kinder sehr gerne ins Schwimmbad, wo man nach dem Besuch sowieso duscht. Oder wir fahren für ein oder zwei Nächte zwischendurch mal auf einen Campingplatz.

Das ist sowieso unsere größte Erkenntnis aus dem Leben von unterwegs. Improvisation ist viel wichtiger und meist auch schöner als Planung. Und das beginnt schon mit der Suche nach dem besten Gefährt.